Rittergut Haus Ahse

Der Sitz der Familie Steinhoff: Das Rittergut Haus Ahse bei Weslarn



Erna Heinen-Steinhoff in Haus Ahse, historische Aufnahme um 1917
Erna Heinen-Steinhoff in Haus Ahse, historische Aufnahme um 1917

Rittergutspächter Friedrich Steinhoff zur Ahse, Großvater von Erna Heinen-Steinhoff  in Uniform, ca. 1890
Rittergutspächter Friedrich Steinhoff zur Ahse, Großvater von Erna Heinen-Steinhoff in Uniform, ca. 1890

Erna Heinen-Steinhoff (1898-1969) verbrachte weite Teile Ihrer Jugend in einem westfälischen Rittergut: Haus Ahse bei Soest in der Großgemeinde WeslarnBad Sassendorf. Ihre vermögende Familie – die Steinhoffs zur Ahse – waren dort seit dem 18. Jahrhundert als Rittersgutpächter ansässig und ließen das Anwesen durch Ihre Verwalter bewirtschaften.

Die Aufenthalte auf Haus Ahse, erst als junges Mädchen und später als heranwachsende Frau, sollten zur glücklichsten Zeit Ihres Lebens zählen, von denen Sie immer wieder begeistert erzählte. Besonders die großen Feste und Landpartien auf dem alten Rittersitz gaben Stoff für viele Anekdoten. Der Maler Erwin Bowien (1899-1972) berichtet in seinem Allgäuer Kriegstagebuch aus dem Jahr 1944, wie ihm Erna Heinen-Steinhoff von den großen Festen berichtete, von den zwei und vierspännigen Landauern der umliegenden Grundbesitzer, die den Hof füllten, von der Heerschar an Mägden die in der riesigen Küche des Anwesens schufteten, um die üppigen Festmahle herzurichten und die riesigen Kuchen mit 200 Eiern zu backen und wie eines Ihr Vetter, nach durchzechter Nacht, tollkühn und hoch zu Pferde, die Treppe des Anwesens hinauf ritt!

Für einige Protagonisten der Künstlerkolonie „Das Schwarze Haus„ sollte das „Rittergut Haus Ahse“ im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit überlebenswichtig werden.


Impressionen rund um den Gutshof Haus Ahse


Erst diente das Rittergut dem Regimegegner und flüchtigen Maler Erwin Bowien (1889-1972), im Laufe des Monats April 1943 als Asyl, nachdem dieser, nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Niederlande, sein selbstgewähltes Exil in Egmond a. d. Hoef verlassen musste, – und ohne gültige Papiere, von Unterschlupf zu Unterschlupf im Deutschen Reich umherirrte. Der Beleg hierfür ist eine kleine Tuschezeichnung von Justus Steinhoff zur Ahse mit Zylinder, welche auf den 9. April 1943 datiert ist. Diese Zeichnung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Rittergut Haus Ahse entstanden. Anschließend ist ein Aufenthalt von Erwin Bowien in Augsburg nachgewiesen.

Dieser vermutete Aufenthalt von Erwin Bowien auf Haus Ahse im Jahr 1943 wäre für die Geschichte der Künstlerkolonie des Schwarzen Hauses nur eine kleine Episode gewesen. Im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig und von vitaler Bedeutung für Erwin Bowien, Erna Heinen-Steinhoff und Ihrer Familie, wurde das Rittergut Haus Ahse aber erst in der Hungerzeit nach 1945. Erna Heinen-Steinhoff mit Ihrem Gatten Hans Heinen und ihren Kindern kehrten 1945 aus dem Allgäuer Ort Kreuztal-Eisenbach nach Solingen ins Schwarze Haus zurück. Es gab jedoch nicht genügend Nahrungsmittel.


Haus Ahse und Nebengebäude, Gemälde von Erwin Bowien, undatiert
Haus Ahse und Nebengebäude, Gemälde von Erwin Bowien, undatiert

In seiner Autobiografie Das schöne Spiel zwischen Geist und Welt – Mein Malerleben berichtet Erwin Bowien von seinen regelmäßigen Fahrten ab 1945 - während der großen Hungerzeit – in die Soester Börde nach Haus Ahse, um bei den Steinhoffs Nahrungsmittel zu holen. (Interessanterweise nennt er das Gut nicht namentlich, sondern spricht nur von den Verwandten von Erna Heinen-Steinhoff). Er berichtet in seinen Memoiren, wie er spätestens alle sechs Wochen von Solingen aus, in völlig überfüllten Zügen und unter heute kaum vorstellbaren Umständen nach Soest fuhr und dann zu Fuß den weiten Weg zum Gut zurücklegte. Er – der kaum noch 50 Kg wog – kam dann schwerbepackt mit Kartoffeln und Weizensäcke ins Schwarze Haus zurück.

Einmal bekam er sogar zwei Hennen, die leider im völlig überfüllten Zug nach Solingen erdrückt, wurden. In seinen Memoiren lässt er keinen Zweifel daran, dass seine Muse – Erna Heinen-Steinhoff -, die zu diesem Zeitpunkt schwer erkrankt war – wahrscheinlich aber auch die kleine Bettina, ohne die Nahrungsmittel aus Haus Ahse nicht überlebt hätten.

Das Herrenhaus des Rittergutes Haus Ahse – gelegen am gleichnamigen Fluss – war äußerlich ein schlichter Bau, schön gelegen innerhalb eines kleinen Waldes mit hohen Bäumen. Die wichtigste architektonische Besonderheit war eine repräsentative zweiteilige Treppe. In großen Saal des Rittergutes befand sich ein schöner barocker Kamin aus weißem Stein mit der eingemeißelten Jahreszahl 1720. Dies dürfte auch das Baujahr des Herrenhauses gewesen sein.

Das Gut existiert seit dem Mittelalter. Der preußische König Friedrich II. verlieh dem Anwesen im Jahre 1756 die Qualität eines Rittersitzes. Das Herrenhaus vom Rittergut Haus Ahse wurde wegen Baufälligkeit im Jahr 1965 abgerissen. Erna Heinen-Steinhoff kam kurz vor dem Abriss ein letztes Mal zum Rittergut und verließ erschüttert das Anwesen. Sie veranlasste, dass der Maler Erwin Bowien eine Vedute des Hauses malte. Anstelle des Herrenhauses wurde ein 60er Jahre Bungalow errichtet. Der wichtigste verbleibende Bau ist die große Fachwerkscheune aus dem 18. Jahrhundert. Das Anwesen ist auch heute in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.

Der Autor dankt dem historischen Arbeitskreis Weslarn sehr herzlich für die zur Verfügung Stellung der historischen Fotos des Rittergutes Haus Ahse, sowie für die Bereitstellung der Informationen zur Geschichte des Rittergutes und der Familie Steinhoff zur Ahse.

Bibliographie: Historischer Arbeitskreis Weslarn (Hrsg.): Chronik des Dorfes Weslarn in Wort und Bild. 1189-2019. Weslarn, 2020